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Auflösung zum 5. Märchenrätsel



In den alten Zeiten, in denen das Wünschen noch geholfen hat, lebte einst ein König, dessen Töchter waren alle schön, aber die jüngste Tochter war die schönste.

In der Nähe des Schlosses wuchs ein großer dunkler Wald, und in dem Wald unter einer alten Linde stand ein Brunnen. Wenn der Tag sehr heiß war, dann ging die Königstochter hinaus in den Wald und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens, und wenn sie sich langweilte, dann nahm sie eine goldene Kugel, warf sie in die Höhe und fing sie wieder. Das war ihr Lieblingsspiel.

Doch einmal fing das Mädchen die Kugel nicht auf und diese fiel in das tiefe Wasser des Brunnens und war nicht mehr zu sehen war. Da fing die Königstochter an zu weinen und schluchzte immer lauter und lauter. Und wie sie so weinte, rief ihr jemand zu: „Warum weinst du, Königstochter? Du jammerst ja, dass es sogar einen Stein erweichen würde!“ Das Mädchen sah sich suchend um und erblickte einen Frosch, der seinen dicken grünen Kopf aus dem Wasser streckte.

„Ach, du bist es, alter Wasserpatscher“, rief sie. „Ich weine über meine goldene Kugel, die mir in den Brunnen gefallen ist.“

„Beruhige dich und weine nicht mehr“, antwortete der Frosch: „Ich kann dir helfen, aber was gibst du mir, wenn ich dein Spielzeug wieder heraushole?“

„Was du haben willst, lieber Frosch“, rief die Königstochter rasch, „Meine Kleider, meine Perlen und Edelsteine. Sogar die goldene Krone, die ich trage.“

Der Frosch antwortete: „Deine Kleider, deine Perlen und Edelsteine und deine goldene Krone, die brauche ich nicht. Aber wenn du mich lieb haben würdest, und ich darf dein Freund und Spielkamerad sein, an deinem Tischlein neben dir sitzen, von deinem goldenen Tellerlein essen, aus deinem Becherlein trinken, in deinem Bettlein schlafen: wenn du mir das alles versprichst, so will ich in die Tiefe schwimmen und dir die goldene Kugel wieder heraufholen.“

„Aber ja“, beteuerte das Mädchen rasch. „Ich verspreche dir alles, was du willst, wenn du mir nur die Kugel wiederbringst!“ Bei sich aber dachte sie: 'Was sich dieser einfältige Frosch nur denkt! Der sitzt und quakt im Wasser bei den anderen Fröschen und kann doch keines Menschen Freund sein.'

Der Frosch aber, als er ihr Versprechen erhalten hatte, tauchte seinen Kopf unter, sank hinab und eine Weile später kam er wieder zum Brunnenrand geschwommen, hatte die goldene Kugel im Maul und warf sie ins Gras. Die Königstochter war voller Freude, als sie ihr schönes Spielzeug wiedersah, hob es auf und lief damit fort.

„Warte, warte!“, rief der Frosch. „Nimm mich mit, ich kann nicht so schnell laufen wie du!“

Aber die Königstochter hörte ihn nicht, eilte nach Haus und hatte bald den armen Frosch vergessen, der in seinem Brunnen zurückgeblieben war.


Am nächsten Tag, als sie sich mit dem König und allen Hofleuten zum Essen gesetzt hatte und von ihrem goldenen Tellerlein aß, da kam, plitsch platsch, plitsch platsch, etwas die königliche Marmortreppe heraufgekrochen, und als es oben angelangt war, klopfte es an der Tür und rief: „Königstochter, jüngste, mach mir auf.“

Sie lief und wollte sehen, wer draußen sie, aber als sie die Tür öffnete, saß da der Frosch davor. Hastig warf sie die Tür zu, setzte sich wieder an den Tisch, und fürchtete sich. Der König sah ihre Aufregung und fragte behutsam: „Mein Kind, was fürchtest du dich? Steht etwa ein Riese vor der Tür und will dich holen?“

„Ach nein, Vater“, antwortete sie. „Es ist kein Riese, sondern ein garstiger Frosch.“

„Was will denn ein Frosch von dir?“

„Ach lieber Vater, als ich gestern im Wald auf dem Brunnenrand saß und spielte, da fiel meine goldene Kugel ins Wasser. Und weil ich so weinte, hat sie der Frosch wieder heraufgeholt. Doch vorher verlangte er, dass er mein Freund werden würde, und weil ich die Kugel unbedingt zurückhaben wollte, versprach ich es ihm. Ich hätte niemals gedacht, dass er aus seinem Wasser herauskriechen könnte. Nun ist er aber draußen und will zu mir herein.“

Als das Mädchen zu Ende erzählt hatte, da klopfte es zum zweiten Mal und der Frosch rief:

„Königstochter, jüngste,

mach mir auf!

Weißt du nicht, was gestern

du zu mir gesagt

bei dem kühlen Brunnenwasser?

Königstochter, jüngste,

mach mir auf.'

Da sagte der König streng: „Mein liebes Kind, was du versprochen hast, das musst du auch halten! Lauf und mach ihm auf!“

Sie ging und öffnete die Tür, da hüpfte der Frosch herein und folgte ihr bis zu ihrem Stuhl.

Da saß er und rief: „Hebe mich herauf zu dir!“

Sie zögerte, bis es der König befahl. Und als der Frosch auf dem Stuhl saß, da wollte er auf den Tisch, und als er da saß, forderte er: „Nun schieb dein goldenes Tellerlein näher zu mir heran, damit wir zusammen essen können!“

Das tat sie, aber man sah, dass sie es nicht gerne tat. Der Frosch ließ es sich schmecken, aber ihr blieb fast jeder Bissen im Halse stecken. Schließlich sagte der Frosch: „Ich habe mich satt gegessen und bin müde. Trage mich hinauf in dein Kämmerlein und schüttele deine seidenen Betten auf, damit wir uns schlafen legen können.“

Die Königstochter fing an zu weinen, weil sie sich so sehr vor dem kalten Frosch ekelte, den sie sich nicht anzufassen traute und der nun in ihrem schönen, sauberen Bett schlafen wollte. Der König aber wurde zornig und sprach: „Wer dir geholfen hat, als du in der Not warst, den sollst du danach nicht verachten!“

Da packte die Königstochter den Frosch mit zwei Fingern, trug ihn hinauf in ihre Kammer und setzte ihn in eine Ecke. Als sie aber im Bett lag, kam er gehopst und sprach: „Ich bin müde, ich will schlafen so wie du: heb mich herauf oder ich sage es deinem Vater.“

Da wurde sie bitterböse, hob ihn hoch, warf ihn mit voller Kraft gegen die Wand und rief wütend: „Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch!

Aber als der Frosch zu Boden fiel, da war er kein Frosch mehr, sondern ein Königssohn mit schönen und freundlichen Augen. Er erzählte ihr, dass er von einer bösen Hexe verwünscht worden wäre, und niemand außer ihr hätte ihn erlösen können. Und gleich morgen wollten sie zusammen in sein Reich gehen und heiraten. Das taten sie und lebten lange und glücklich miteinander.


Der Froschkönig oder Der eiserne Heinrich - nach dem Märchen der Gebrüder Grimm erzählt von Diana Johanns


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